Frauengesundheit in der Lebensmitte

Von Katharina Lehman

Ähnlich turbulent, wie sich die weiblichen Hormone in der Pubertät über einige Jahre hinweg etablieren, bauen sie sich in der Lebensmitte wieder ab. So entdecke ich in meinen goldenen Fünfzigern als „Queenager“ viele Ähnlichkeiten zu meinen pubertierenden „Teenagern“. Die Stimmung schwankt unvorhersehbar, es gibt Zeiten mit wenig Energie, die Schlafphasen ändern sich, Kopfschmerzen als Stressreaktion und Probleme mit den Gelenken treten auf. Gleichzeitig geschieht ein Prozess der Selbstfindung. Beziehungen und Hobbies werden (wieder-) entdeckt und aufgebaut, ganz eigene Sichtweisen entstehen, das Körperbild verändert sich, die Selbstannahme beschäftigt uns ebenso wie die großen Lebensfragen: was will ich wirklich?

Dem ersten Frühling nach der Pubertät folgt aus östlicher Sicht der Sommer. Unsere Weiblichkeit ist in voller Blüte, die sich äußern mag in der Entfaltung der eigenen Kreativität, des beruflichen Werdegangs oder dem Muttersein und der Familiengründung. Während Menstruation und Schwangerschaft sorgen die schwesterlichen Hormone Östrogen und Progesteron für Balance. Sie bilden den zyklischen Ruhepol und gleichen wechselseitig unsere Stressbelastung aus. Wir sind auch mit wenig Schlaf sehr leistungsfähig und können vielfältige Aufgaben bewältigen.

Wie in jedem großen Zyklus folgt der Herbst, ein allmählicher Rückgang mit manchem stürmischen Umwandlungsprozess. In der Perimenopause (in der Regel ab dem 40. Lebensjahr) schwankt der Hormonspiegel und fällt dann weiter ab, was zu körperlichen und emotionalen Symptomen führt, die von Frau zu Frau variieren und abhängig sind von unserer Genetik, unserem Gesundheitszustand sowie von Ernährung und Lebensstil. Aufgrund dieser unterschiedlichen Einflüsse erlebt jede Frau den Übergang in die Wechseljahre und die Menopause (die Zäsur 12 Monate nach der letzten Blutung) auf einzigartige Weise. Auf diese Winterzeit, um bei dem Bild der Jahreszeiten zu bleiben, reagiert etwa ein Drittel der Frauen kaum, ein Drittel beeinträchtigt und ein Drittel stark belastet.

Häufige körperliche und mentale Symptome in den Wechseljahren sind

      • Hitzewallungen und Nachtschweiß
      • Schlafstörungen und Schlaflosigkeit
      • Verdauungsbeschwerden und Gewichtszunahme
      • Trockenheit der Haare, Haut, Vagina (Genitalregion)
      • Libidoverlust
      • Gelenkschmerzen, Migräne
      • Sarkopenie (Muskelabbau), Osteopenie/Osteoporose
      • Stimmungsschwankungen
      • Reizbarkeit, Wut und Rebellion (explodieren)
      • Angst, Depression, Burnout (implodieren)
      • Konzentrationsprobleme (brain fog)

Sie kommen oft schleichend daher, was es nicht leicht macht, sie zuzuordnen und frühzeitig zu reagieren. Wir gewöhnen uns daran, weniger belastbar zu sein und machen dennoch weiter wie vorher. Kommen dann Lebenskrisen wie familiäre Veränderungen oder Erkrankungen hinzu, kann das unsere Lebenskraft schwächen und uns auffordern, die einzigartige Reise zur Erkundung der Selbstfindung und Selbstfürsorge anzutreten.

Yesterday I was clever, so I wanted to change the world.

Today I am wise, so I am changing myself. (Rumi)

Glücklicherweise können wir unsere Gesundheit und Vitalität unterstützen, um durch diese Winterzeit, die Reifestufe der Menopause, zu neuen Kräften zu kommen und das volle Potenzial zu schöpfen für die Postmenopause, unseren zweiten Lebensfrühling.

Wir können uns mit dem lebendigen Wandel im Körper verbinden, dabei die hormonelle Balance unterstützen und die innenwohnende Energie beleben. Ernährungs- und Lebensstil-Empfehlungen können dazu beitragen, die spezifischen Ursachen des hormonellen Ungleichgewichts anzugehen, den Hormonspiegel auszugleichen und überschießende Reaktionen zu besänftigen.

Welche fünf Lebensbereiche jetzt besonders unsere Zuwendung und aktive Selbstfürsorge brauchen, will ich beschreiben, aber zunächst den Blick auf die Hormone richten.

So, wie das Nervensystem durch elektrische Impulse kommuniziert, kommunizieren die Hormone auf chemischer Ebene und stellen sicher, dass wir zu unserer Mitwelt in guter Beziehung sind. Die Stresshormone Cortisol und Adrenalin bringen uns in Bereitschaft, mit Gefahren und Herausforderungen umzugehen und sichern unser Überleben; deshalb haben sie immer den Vortritt. Cortisol bringt uns morgens aus dem Bett und Melatonin abends in den Schlaf, hier findet die faszinierende Kunst der rhythmischen Lebensgestaltung im Einklang mit dem Tageslicht statt. Die Geschlechtshormone sind für die Reproduktion zuständig und schaffen die notwendige Ruhe, Sicherheit und Hingabe. Dopamin, Serotonin und Oxytocin verankern uns im „Hier und Jetzt“, intensivieren die Lebensfreude und Nähe zu unseren Liebsten. Das Insulin bringt die Energie in unsere Körperzellen, unser gesamter Stoffwechsel ist natürlich untrennbar in seiner Wechselwirkung mit den Hormonen verbunden und nun ist schon klar, welche fünf Lebensbereiche wir uns genauer ansehen, um die Hormone in ihrem Balanceakt für unsere Regeneration durch achtsame Interventionen zu unterstützen:

Schlaf

Ernährung

Bewegung

Stressreduktion

soziale Beziehungen und Grenzen

Unsere Achtsamkeit ist unser geistiges Kommunikationsmittel und priorisiert, wie die Hormone auf chemischer Ebene, unsere Aktivität (rajas) und Beruhigung (tamas) und ermöglicht uns die Klarheit (sattva), um einfühlsam so gut es geht, mit dem, was wir haben und da, wo wir sind, handeln zu können.

Für unserer Regeneration können wir sorgen, indem wir das Prinzip von Rhythmus aufgreifen und für regelmäßige Mahlzeiten und Schlafgewohnheiten sorgen. Was lenkt uns davon ab und was hilft uns dabei? Die biologische Uhr ist hormongesteuert und auch der Stoffwechsel, es macht also Sinn, zur Entlastung des gesamten Organismus für Stabilität und Verlässlichkeit zu sorgen, Rhythmus ersetzt Kraft.

Die Ernährung ist vorzugsweise faser- und proteinreich und enthält wertvolle Fette (resolute Fastenkuren sind mit Vorsicht zu betrachten, wenn sie zusätzlichen Stress erzeugen). Der schnellen Energieregulation durch Zucker und Salz, Koffein und Alkohol möchten wir auf den Grund gehen und ihre Wirkung auf unser Gemüt und unsere Leistungsfähigkeit hinterfragen. Eine effektive Maßnahme ist das Journaling über einige Wochen, um zu verstehen, in welchen Situationen, zu welchen Zeiten und mit welchen Emotionen das Verlangen aufkommt. Das Ziel hierbei ist nicht strenger Verzicht, sondern wir setzen stattdessen unsere aufrichtige und mitfühlende Wachsamkeit ein, um uns noch besser kennenzulernen und individuell sinnvolle Veränderung zu gestalten. Dazu gehört auch, die Zusatzbelastung durch Toxine (hormonelle Dysruptoren) einzuschränken, die aus Verpackungsmaterial, Kleidung, Kosmetik und ungefiltertem Trinkwasser in unseren Organismus gelangen.

Unsere Stressreaktionen haben uns vielleicht viele Jahre und Jahrzehnte gedient und dennoch Raubbau betrieben. Die Knochen beispielsweise werden schwächer und brüchiger. Sie haben wieder und wieder die notwendigen Mineralien ausgeschüttet, die unser Nervensystem funktionsfähig halten (z.B. Calcium, Magnesium, Phosphate). Regelmäßige Bewegung und erholsame Pausen wirken über die Stärkung von Muskulatur und Knochen hinaus ausgleichend auf unser Nervensystem und den Abbau von Stresshormonen. Schon kleine Einheiten von Aktivität und Entspannung und beruhigenden Maßnahmen wie das tiefe Atmen für einige Minuten wirken sich positiv auf unsere Gelassenheit aus.

Hätte ich nur mehr Zeit mit denen verbracht, die mir lieb sind, ist ein häufiges Bedauern im Alter, warum nicht jetzt damit beginnen. Was können wir in unseren Beziehungen schultern, wieviel anderen helfen, wer baut uns auf durch seine Gegenwart? Das Ja, wenn es gesagt werden will, ebenso wie das Nein richten sich nach unseren Bedürfnissen und Werten, womit wir beim zugrundeliegenden Lebenssinn angekommen sind.

Es ist hilfreich, sich über eine Handvoll Werte klar zu sein, an denen sich der Wandel zur authentischen Lebensweise ausrichtet. Sie sind im Hintergrund aller angesprochenen Lebensbereich wirksam und es ist spannend, damit nochmal zurückzuschauen auf die einzelnen Bereiche. Ich führe hier einige Werte in Worten auf, die natürlich frei ergänzt werden können. Welche Worte räsonieren? Welche drei wichtigsten Qualitäten kristallisieren sich heraus bei genauem Hinspüren und sorgsamen Aussortieren? Dies kann auch spannender Stoff für ein vertrautes Gespräch sein.

Selbstverantwortung – Selbstvertrauen – Verbindung – Beständigkeit – Hingabe – Vitalität -Helfen – Entschlossenheit – Disziplin – Teilen – Zielstrebigkeit – Verantwortlichkeit – Errungenschaft – Kraft – Abenteuer – Eigenständigkeit – Gleichgewicht – Engagement – Gemeinschaft – Respekt – Kompetenz – Leichtigkeit – Effizienz – Befähigung – Ausdauer – Vergnügen – Enthusiasmus – Exzellenz – Erfahrung – Familie – Freundschaft – Unerschrockenheit – Flexibilität – Freiheit – Spaß – Dankbarkeit – Großartigkeit – Wachstum – Glück – Unabhängigkeit – Freude – Wissen – Führungsqualitäten – Beherrschung – Motivation – Optimismus – Leidenschaft  – Leistung – Ausdauer – Verspieltheit – Produktivität – Zielsetzung – Unverwüstlichkeit – Stabilität – Stärke – Selbstverwirklichung – Struktur – Erfolg – Nachhaltigkeit – Teamarbeit – Nützlichkeit

Ich freue mich, von euren Erfahrungen zu hören ♡ und bin dankbar für die Vielfalt an Informationen, auf die ich mich hier stütze.[1]

Gern könnt ihr Kontakt aufnehmen über meine Webseite https://www.kathayoga.net/ oder per Mail an info@momentum-regeneration Ich biete Konsultationen online und in der Praxis in Berlin an.

Unsere Yogapraxis kann so ausgerichtet werden, dass sie viele der Symptome, die wir Frauen in der Lebensmitte erleben, gezielt anspricht. Steht es an, zu kräftigen, zu entspannen, den Atem freundschaftlich und bewusst wahrzunehmen und Energien zu lenken, das Nervensystem zu regulieren und sich dem Seelenwohl in liebevoller Güte anzunehmen? Immer wieder wählen wir neu in Übereinstimmung mit dem, was gerade geschieht und was uns im tiefsten Herzen bedeutsam ist.

Eure Katharina

 [1] Dr. Claudia Welch (Ayurveda und TCM), Scotti Mc Larren (Nutrition), Lara Briden, Dr. Sara Gottfried, Petra Coveney (Yoga), Molly Galbraith

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